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Phreaking

    In letzter Zeit machen sich immer mehr technikinteressierte Telefonbenutzer zu Nutze, daß die Vermittlungsstellen verschiedener Staaten und Telefongesellschaften ihre internen Daten zur Vermittlung von Telefongesprächen durch Töne im normalen Sprachband übertragen. So ist es ihnen möglich, kostenlos zu telefonieren, indem sie der Vermittlungsstelle im Ausland mit Frequenzen nach der international anerkannten und benutzen C5-Norm vorgaukeln, daß das kostenlose Telefongespräch zu einer Firma im Ausland (z.B. über 0130er-Nummern) schon beendet ist, während die nationale Vermittlungsstelle wegen der Kürze des Beendungsöignals davon ausgeht, daß das Gespräch noch läuft. Mittels eines weiteren Signals kann man dann eine neue Nummer anwählen: Gleich nach dem gefakten Gesprächsendesignal folgt das Kommando mit der gewünschten Rufnummer, so daß die Kosten von der ausländischen zuerst angewählten Firma getragen werden. Man kann sich dann über Transitleitungen von einem Land zum nächsten schalten, wobei einige Länder aber offensichtlich sinnlose Rückschaltungen (z.B. Deutschland-USA-Deutschland) schon technisch verhindern (z.B. in den USA und Japan), weil die Anzahl der Auslandsleitungen nur begrenzt ist und z.B. in Frankreich bereits erhebliche Kapazitätsprobleme auftraten.

    Als vorausschauender Phreak sollte man daraus seine Konsequenzen ziehen und diese überlasteten Strecken nur mäßig benutzen, um die Telefongeseltschaften nicht zu verärgern und so technische Sperren zu provozieren. Welchen Leitungsweg die 0130er-Vermittlungsstelle bei der Anwahl einer ausländischen Nummer nimmt, ist von Vermittlungsstelle zu Vermittlungsstelle unterschiedlich aber für den Phreak recht interessant zu wissen. Ein einfacher Weg um das zu erfahren ist> die Nummer 0130/0000 anzurufen, dann sagt einem die freundliche Stimme, wohin man verbunden wird, wenn man 0130 wählt. In Frankfurt gibt es z.B. für die Phreaks ein paar Probleme, weil dort die Digitalisierung bereits weiter fortgeschritten ist als bei den anderen Vermittlungsrechnern.

    Als Geräte benutzen die Phreaks selbstgebaute Beeper, ähnlich den gebräuchlichen Geräten zur Abfrage von Anrufbeantwortern, aber viel leistungsfähiger. Neuerdings gibt es auch fertige Computerprogramme für populäre Computer (z.B. Amiga, Macintosh), die aber teilweise recht stümperhaft, programmiert sind oder es gibt Probleme durch Störfrequenzen wenn mehrere Interrupts gleichzeitig laufen, Besser ist ein gerade entwickelter Bausatz für einen D/A Wandler, der direkt an einem gängigen parallelen Druckeranschluss (z.B. bei einem PC) angeschlossen wird und die benötigten überlagerten Zweifrequenztöne in Form einer Sinuskurve erzeugt.

    Der Bauplan sowie zwei einfache Softwareprogramme zur Programmierung des Geräts unter MS-DOS sind über den Chaos Cornputer Club zu beziehen. Die Bauteilekosten liegen unter 20 DM und die ganze Schaltung inklusive Verstärker findet in einem Schnittstellenstecker Platz. Software für andere Rechner ist in Planung, die Sourcen helfen bei der Entwicklung eigener Programme. Man kann die Töne auch Zuhause auf Band aufzeichnen und dann mit dem Recorder in die Telefonzelle gehen. Dabei sollte man aber auf sehr gute Tonqualität achten (z.B. DAT-Recorder) und die Bandlaufgeschwindigkeit muß exakt gleich sein, weil es sonst Timingtrouble gibt.

    Das Problem dabei ist, daß immer mehr Menschen kostenlos telefonieren wollen, aber von der eigentlichen Vermittlungstechnik keine Ahnung haben. Wenn man nicht wochenlang trainiert und sich mit der Materie befaßt, kann es zu fatalen Fehlbedienungen kommen, so daß die Post und die geschädigten Firmen auf diese Praktiken aufmerksam werden. Bisher hat es jedoch lediglich eine postinterne Untersuchung der Vorfälle gegeben, nachdem einige "Experten" unbedingt in diversen Zeitschriften ü"ber ihre Hacks prahlen mußten und die betrogenen Firmen die Bundespost Telekom unter Druck setzten. Besonders zu verurteilen sind die Softwaretrader, die für enorme Geldsummen Bluebox-Computerprogramme an technikunerfahrene Benutzer verkauften und gleichzeitig Panik in der Phreakszene über angebliche Verhaftungen und Rückverfolgungen von Gesprächen verbreiteten, um nichtzahlende Experimentierer abzuschrecken. Wahr ist lediglich, daß die Zielrufnummern in der digitaten Vermittlung (DIF), die die 130er-Nummerin in normale internationale Telefonnummern wandeln und die Verbindung aufbauen gespeichert werden, wie es z.B. auch im Autotelefon C-Netz gehandhabt wird. Der angerufenen Firma im Ausland ist maximal der Einwählpunkt in Deutschland bekannt (z.B. Hamburg, Frankfurt,...).

    Trotzdem ist natürlich immer Vorsicht beim Forschen angesagt, denn wer weiss besser als die Phreaks, daß die Entwicklung im Bereich der Technik nicht halt macht? In der Regel ist aber eine Nachverfolgung für die Firmen wirtschaftlich nicht interessant solange ihr normaler Geschäftsbetrieb nicht ernsthaft blockiert wird und die Bundespost verdient an den Phreaks nicht schlecht, so daß sie aus eigenem Antrieb wohl nichts unternehmen wird. Auf jeden Fall sollte die Phreak-Szene erheblich besser zusammenarbeiten und sich nicht gegeneinander verschanzen, weil davon nur die verachtungswürdigen kommerziellen Verwerter profitieren, die keinerlei Pionierarbeit leisten.

    Innerhalb Deutschlands funktioniert das Blueboxing-Verfahren nicht, weil die Leitungsdaten dort systernintern und nicht in normalen Sprachband übertragen werden. In Zukunft wird es für die Phreaks noch größere Probleme geben, weil im Zuge der Umstellung von analogen auf digitale Vermittlungsstellen auch das C7-Verfahren zur Weitergabe von Leitungsdaten eingeführt wird, bei dem Daten- und Sprachleitung getrennt sind. Dadurch wird Phreaking zwar schwieriger, aber auch interessanter und man sollte nicht vergessen, daß es wohl immer Länder geben wird, die sich keine Vermittlungsanalage leisten können, so daß die alten Beeper nicht auf dem Müll landen müssen. Ausserdern wurde Blueboxiag schon vor Jahren totgesagt und heute funktioniert es noch immer in Deutschland, der Schweiz, Österreich, Italien, usw. Probleme gibt es noch in Russland, weil man dort fast nie eine Auslandsleitung bekommt.

    Kurz wurde auf dem Workshop noch einmal auf die Redboxes eingegangen, die nur in den USA und Kanada funktionieren und in der Telefonzelle wertvolle Dienste leisten, indem die Töne, die beim Einwerfen von Münzen entstehen über einen Beeper simuliert werden.

    Viele Phreaks haben auch schon mit den postinternen 1177-Nummern herumprobiert. Einige hatten auch schon Erfolg, man sollte aber bedenken, daß an diesen Nummern sowohl automatische als auch mit Menschen besetzte Prüfplätze angeschlossen sind, so daß es für die Post überhaupt kein Problem ist, die Leitungen zurückzuverfolgen.

    Vor der Umsetzung der in diesem Artikel erwähnten technischen Möglichkeiten hat sich mensch selbstverständlich vorher nach den damit verbundenen rechtlichen Bestimmungen zu erkundigen.

    henne

 

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